Die Vater-Sohn-Beziehung ist belastet: Florian wünscht sich ein Keyboard zum Geburtstag. Vater Hanno schenkt ihm ein Mofa. Hanno will, dass Florian auf dem Parklatz das Fahren mit dem Mofa übt. Florian fährt das Mofa beim Üben zu Bruch. GEFESSELT - WAKE IN FEAR (ALL I NEED) Nun muss ich euch aber hier erst einmal etwas gestehen. Florian und seine Mutter Monika malen sich mit dem Filzer lustige Schnurrbärte ins Gesicht und tanzen zu Hits des Schlagersängers Christian Steiffen durch die Wohnung. Hanno denkt, die Familie dreht durch. „Ich sehne mich so sehr / nach Sexualverkehr“, hört er die Gattin und den pubertierenden Sohn lauthals singen. Christian Steiffen? Von wegen: Da kriegste ja einen zuviel! Nach seinem ersten, ziemlich kurzen und vielfach ausgezeichneten Langfilm, den Regisseur Axel Ranisch vor zwei Jahren für angeblich exakt 517 Euro und 32 Cent realisieren konnte, vermittelt sein wunderbares neues Werk den Eindruck, als hätte Ranisch dieses Mal mindestens das Dreifache ausgeben können. Tatsächlich lag die Fördersumme sogar bei rund 27.000 Euro, was aber noch lange kein Grund ist, von „Ich fühl mich Disco“ aufwendige Kulissen, exotische Drehorte und noch nie gesehene Spezialeffekte zu erwarten. Schlager aus dem gleichnamigen Kinotrashfilm von Axel Ranisch. Kann man mögen, muss man aber nicht. @ Alphabet: Immer unglücklich, wenn man Titel bewertet, die man gar nicht kennt. Diese Parodie hat nichts mit dem aktuellen Song von Peter Plate und Marianne Rosenberg (Airport Berlin) zu tun - bis auf die. Ich Fühl Mich Disco KaraokeDer wichtigste Schauplatz ist eine authentisch kleinbürgerlich eingerichtete Dreizimmerwohnung in Berlin, der einzige Spezialeffekt eine Discokugel. Alles nicht wirklich teuer. Es ist nur so, dass dieses Mal alle Beteiligten bezahlt wurden. Und dann fällt die Mutter ins Koma. Wieder geht es um die Sorgen und Nöte übergewichtiger Männer, wobei das Übergewicht im Grunde nicht das Problem ist. Hanno, der von Beruf Bademeister und Turmsprungtrainer ist, trägt seinen Bauch mit Stolz, und Florian weiß: „Dicke Kinder sind schwerer zu entführen.“ Das Problem ist vielmehr, dass die scheinbar so kerngesunde Frau ihres Lebens eines Morgens bei der Frühstückszubereitung ins Koma fällt und nicht den Eindruck erweckt, als würde sie daraus jemals wieder erwachen. Ich Fühl Mich DiscoOhne Drehbuch, aber mit einer klaren Idee im Kopf hat Ranisch seinen Film chronologisch gedreht und lässt seine großartigen Hauptdarsteller Frithjof Gawenda (Florian) und Heiko Pinkowski (Hanno) von Szene zu Szene die jeweilige Bewältigungsstrategie ihrer Figuren improvisieren. Florian flüchtet sich in eine Traumwelt und richtet sich im Krankenhauszimmer der komatösen Mutter häuslich ein. Hanno meint, dass man sich der Realität stellen muss und besteht darauf, dass Florian nach der Schule zu ihm ins Schwimmbad kommt. Gegen Trauer, Depression und schlechte Laune soll körperliche Ertüchtigung bekanntlich wahre Wunder wirken. Was im Schwimmbad allerdings wirklich Wunder bewirkt, ist nicht der Sport, sondern der gut gebaute, arrogante, ziemlich unseriös und einigermaßen kriminell wirkende junge Turmspringer Radu, dem die Rolle des Badehosen-Rebellen und Schwimmbad-Verführers sozusagen zu einer zweiten Natur geworden ist. Eine gemeinsame Nacht voller ungeschickter Annäherungen, großer Gefühle und Missverständnisse, und Florian ist sofort verliebt – und Vater Hanno noch ein bisschen mehr verwirrt. Praktische Vernunft unter der Discokugel. Wie sollen die beiden also jemals wieder zu einer entspannten und verständnisvollen Vater-Sohn-Beziehung finden? Haben Hanno und Florian jetzt, da Mutter Monika ausgefallen ist, überhaupt eine gemeinsame Basis? Als Vermittler lässt Axel Ranisch den Schlagersänger auftreten, ein real existierender Musiker aus dem Großraum Osnabrück, der erst kürzlich sein Album „Arbeiter der Liebe“ veröffentlicht hat. Ich Fühl Mich Disco RemixIch Fühl Mich Disco SoundtrackIch Fühl Mich Disco MusikImmer wenn Hanno nicht weiter weiß, taucht plötzlich Steiffen auf und gibt Rat. Und weil Steiffen sich natürlich nicht in allen Bereichen des Lebens auskennen kann, hat Ranisch auch noch den Filmemacher Rosa von Praunheim engagiert, der als Rosa von Praunheim Vätern schwuler Söhne Lebenshilfe erteilt. Als guter und wohlmeinender Vater muss Hanno die neu gewonnenen Erkenntnisse natürlich sofort in die Tat umsetzen, was Sohn Florian und dessen Schwarm Radu natürlich keinen Meter näher zueinander bringt, aber dafür beim Publikum für größtmögliche Erheiterung sorgt. Und so bewegt sich „Ich fühl mich Disco“ souverän im Spannungsfeld von Komödie und Tragödie, von Adoleszenz-Drama und Schlagerfilm sowie Surrealismus, Irrsinn und praktischer Vernunft. Mit dem Effekt, dass man das Kino exakt so verlässt, wie der Filmtitel es verspricht.
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April 2019
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